Entstehungsgeschichte
Ein zentrales Landesfreilichtmuseum – das wünschte sich die baden-württembergische Landesregierung seit den 1960er Jahren. Doch erst 1988 fiel mit dem Ministerratsbeschluss die endgültige Entscheidung für eine dezentrale Lösung mit regionale Freilichtmuseen. Dieser Entscheidung ging ein wahrer Krimi voraus, denn während die Planungen für ein Landesfreilichtmuseum anliefen, eröffnete bereits 1964 mit dem Vogtsbauernhof das erste regionale Freilichtmuseum.
Freilichtmuseen dienen der Erhaltung und Darstellung ländlichen Lebens. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdrängte die Industrialisierung zunehmend die bäuerliche Kultur. Durch den rasanten Fortschritt sahen sich viele Menschen mit dem allmählichen Verschwinden traditioneller Lebensweisen und Werte konfrontiert. Indem sie sich mehr der Sammlung ländlich geprägter Kulturgüter widmeten, reagierten einige kulturhistorischen Museen auf diesen Verlust. Der schwedische Philologe Artur Hazelius gründete 1873 mit dem Nordischen Museum in Stockholm das erste Volkskundemuseum. Dieses wurde 1891 durch eine Freiluftabteilung erweitert, dem Freilichtmuseum Skansen. Mithilfe des Freilichtmuseums wollte Hazelius das Landleben umfassender darstellen. Er versetzte dafür komplette Gebäude und richtete diese ganzheitlich ein. Skansen gilt als das erste Freilichtmuseum Europas.
Freilichtmuseen wurden bald populär. Sie standen (und stehen heute noch) für die Bewahrung und Vermittlung ländlicher Kultur- und Alltagsgeschichte und sprachen breite Bevölkerungsschichten an. Es folgten bald weitere Museumsgründungen in ganz Europa. Im Deutschen Reich wurde die Idee der Freilichtmuseen zwar positiv aufgenommen, zu eigenen Museumsgründungen kam es aber sehr spät – die deutsche Museumslandschaft wurde vor allem von Heimatmuseen geprägt. 1934 wurde das erste deutsche Freilichtmuseum gegründet, das Museumsdorf Cloppenburg (Niedersachsen). Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Gründungswelle von Freilichtmuseen in Deutschland.
Die Gründungen von Freilichtmuseen in der Nachkriegszeit wurden von dem Gedanken der substanzerhaltenden Rettung bestimmt. Das „Wirtschaftswunder“ der 1950er und 1960er Jahre in Deutschland führte mit dem technischen Fortschritt und modernen Lebensstandards zu entscheidenden Strukturveränderungen. Eine wichtige Rolle bei der Etablierung von Freilichtmuseen spielte der Deutsche Heimatbund (heute Bund Heimat und Umwelt in Deutschland e. V. ), eine deutsche Kultur- und Naturschutzorganisation, die sich dem Erhalt von kulturgeschichtlichen regionalen Sitten und Gebräuchen sowie traditionellen Elementen in Landschaft und Bauwesen verschrieben hat.
Der Heimatbund sah durch den rasanten Umbruch vom Agrar- zum Industrieland die regionalen Unterschiede und Besonderheiten zunehmend verwischt und befürchtete die endgültige Zerstörung der ländlichen Kultur. Für den Deutschen Heimatbund boten sich die Freilichtmuseen daher als Gedächtnisort an, um die kulturelle Identität der Vergangenheit zu sichern.
Zunächst wurden nur vereinzelte Gebäude vor Abriss oder Verfall gerettet: 1958 gelang Privatleuten die Sicherung eines oberschwäbischen Strohdachhaus. 1961 begann im Badischen die Rettung des Vogtsbauernhofs in Gutach, mit dem 1964 das erste Freilichtmuseum Baden-Württembergs eröffnet wurde. Das Kultusministerium unterstützte diese Rettung mit Finanzmitteln aus der staatlichen Lotterie, lehnte eine Trägerschaft jedoch ab.
Der Schwäbische Heimatbund, dem die Bewahrung traditionellen Wissens und traditioneller Werte sowie der Erhalt der überkommenen Kulturlandschaften am Herzen lag, und die baden-württembergische Landesregierung wünschten sich ein zentrales Freilichtmuseum, das die beiden Landesteile Baden und Württemberg identitätsstiftend miteinander verbinden sollte: Ein Landesmuseum, das Bauernhäuser aus allen Landschaftsteilen vergleichend und verbindend nebeneinander stellt, nach außen ein Monument der bäuerlichen Alltagskultur, nach innen die Kompensation kollektiver Verlusterfahrungen.
Die Vorplanungen für ein zentrales Landesfreilichtmuseum, das auf der Baar bzw. an der Oberen Donau errichtet werden sollte, liefen parallel mit dem Ausbau des Vogtsbauernhofs in Gutach. Die beiden Museumsprojekte wurden zu Konkurrenten. Die Idee eines zentralen Landesfreilichtmuseums scheiterte 1965 letztendlich an der Finanzierung. Dennoch ebbte die konzeptionelle Diskussion nie gänzlich ab. Durch den Erfolg des Gutacher Freilichtmuseums und der zunehmend dringlicher werdenden Rettungsmaßnahmen für historische Bausubstanzen plädierte nun auch vermehrt die Denkmalpflege für regionale Lösungen.
Als nächstes Freilichtmuseum wurde das oberschwäbische Kürnbach ausgebaut und 1968 eröffnet. 1972 begann man auch in Hohenlohe mit einer Ausstellung über bäuerliche Möbel und Geräte, die als Keimzelle für ein künftiges Freilichtmuseum (heute das Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen) gesehen wurde.
Der Schwäbische Heimatbund nahm das Thema Landesfreilichtmuseum immer wieder auf, eine endgültige Entscheidung wurde jedoch aus finanziellen oder politischen Gründen aufgeschoben. 1976 legte ein Förderverein um den damaligen Wolfegger Bürgermeister Manfred Konnes den Grundstein für das Bauernhaus-Museum Wolfegg. Er sowie der Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall forderten ab nun eine dauerhafte finanzielle Unterstützung zum Erhalt historischer Bauten. Die Hoffnungen lagen auf der Einführung der Zusatzlotterie Spiel 77 im Frühjahr, deren Gewinn zu 7% an die Errichtung eines zentralen Freilichtmuseums gehen sollte.
Im Sommer 1977 bot der Schwäbische Heimatbund an, ein Landesfreilichtmuseum vorzufinanzieren. Daraufhin trafen sich auf Einladung des Kultusministeriums die Träger der bereits bestehenden Museen sowie Vertreter der alternativen Museumsansätze. Unter der Federführung von Bürgermeister Konnes und des Biberacher Landrats Steuer gründete sich die „Arbeitsgemeinschaft der regionalen Freilichtmuseen“ um die Interessen einer dezentralen, regionalen Lösung noch effektiver vertreten zu können. Ihr erster Sprecher wurde Manfred Konnes. Im August 1978 schließlich beschloss der Ministerrat des Landes Baden-Württemberg, die Museen in Gutach, Wolfegg und Kürnbach sowie weitere Initiativen aus Mitteln des Spiels 77 zu fördern. Im selben Jahr wurde das Bauernhaus Museum Wolfegg (heute Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg) eröffnet. Der baden-württembergische Ministerrat entschied 1980, die regionalen Freilichtmuseen mit 4,8 Millionen DM zu unterstützen. Damit war die die Entscheidung für ein zentrales Landesfreilicht-museum wiederum vertagt worden.
Pläne für weitere Freilichtmuseen lagen im Landkreis Tuttlingen, in Gochsheim und im Landkreis Esslingen vor. Für das Einzugsgebiet „Mittlerer Neckarraum“ beziehungsweise „Schwäbische Alb“ beispielsweise ließ der Landkreis Esslingen 1980 in einer wissenschaftlichen Studie die Chancen für die Realisierung eines derartigen Projektes prüfen. Gleichzeitig wurden zwischen 1980 und 1982 mehrere Gebäude im Auftrag der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg für das zukünftige Freilichtmuseum im Landkreis Esslingen abgebaut. Die angespannte Haushaltslage ließ das Projekt allerdings 1982 erst einmal scheitern. 1985 nahmen die Gremien des Kreistages Esslingen die Planungen für ein regionales Freilichtmuseum wieder auf. Der erste Spatenstich fand dann am 10. Juni 1987 statt.
Währenddessen eröffnete das Hohenloher Freilandmuseum 1983 seine Tore.
Mit dem Ministerratsbeschluss vom 11. Januar 1988 wurde die Errichtung eines Landesfreilichtmuseums endgültig zu den Akten gelegt. Die Landesregierung entschied sich letztendlich für eine dezentrale Lösung, um vor allem den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen.
Zu den bestehenden vier Freilichtmuseen kamen noch das Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck (1988), das Odenwälder Freilandmusem Walldürrn-Gottersdorf (1990) sowie das Freilichtmuseum Beuren (1995) hinzu.
Die Arbeitsgemeinschaft, die 1977 gegründet wurde, umfasst alle sieben regionalen ländlichen Freilichtmuseen in Baden-Württemberg. Die Sieben im Süden stehen in einem engen inhaltlichen und fachlichen Austausch. Gemeinsame Ausstellungs- und Publikationsprojekte, Fortbildungen, eine eigene Website und die gemeinsame Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft zeugen von der engen Zusammenarbeit der baden-württembergischen Freilichtmuseen. Bis heute wird sie von der Landesstelle für Museumsbetreuung finanziell und fachlich unterstützt.
Die Freilichtmuseen in Baden-Württemberg zeichnen sich durch das Bewahren historischer Baukunst, Wissenschaftlichkeit sowie die erfolgreiche museumspädagogische Vermittlungsarbeit als außerschulischer Lernort aus. Dauer- und Wechselausstellungen zu regionalspezifischen Themen, Handwerksvorführungen, Mitmach-Programme für Kinder wie Erwachsene, Themenführungen, Schul- und Ferienprogramme, Workshops und Aktionstage bilden das breite Angebotsspektrum der Freilichtmuseen. Damit sind sie Aktivposten kultureller Teilhabe.